Ich habe dem österreichischen Onlinedienst 'derStandart.at' am Freitag Abend noch ein Interview gegeben. Die Fragen stellte mir Markus Peherstorfer.
derStandard.at: Wie war das Bewerbungsgespräch?
Thorsten: Das war kein typisches Bewerbungsgespräch, ich habe mich ja quasi selbst eingeladen. Für mich war das ein kleines Happening, da jetzt endlich einmal anzukommen. Begrüßt wurde ich schon draußen mit dem Schild "Berghütte für wandernde Bewerber". Ich bin dann durch den Hintereingang hineingegangen und habe ein bisschen gefilmt, weil viele gemeint hatten, sie hätten gern einen Livestream und wollen selber mitbekommen, was da passiert. Aber die Kamera habe ich dann gleich wieder ausgemacht. Nach dem großen Hallo haben wir uns erst mal hingesetzt und ein bisschen geplaudert.
derStandard.at: Und wie soll es jetzt weitergehen?
Thorsten: Der Agentur war es wichtig, jemanden zu finden, dessen Charakter auch gut in die Agentur und zu den Mitarbeitern passt. Ich warte noch das Feedback auf meine Mappe ab. Die habe ich dort gelassen. Eigentlich habe ich zuerst einmal zugehört, was sie alles machen, dann war es schon Mittag und ich habe gesagt, Mensch, eigentlich kann ich auch einmal meine Mappe zeigen und alles, was ich schon gemacht habe. Dann habe ich Fotos mit den ganzen Mitarbeitern gemacht und die Leute gleich ein bisschen kennen gelernt. Die Idee ist jedenfalls gut angekommen. Da konnte ich mir einiges erlauben und zwischen den Mitarbeitern herumhüpfen, wie ich wollte.
derStandard.at: Wieso wollen Sie ausgerechnet zu Red Bull?
Thorsten: Ich habe vorher gar nicht gewusst, dass Red Bull überhaupt eine Inhouse-Agentur hat. Ich habe das über einen Ex-Arbeitskollegen erfahren, der da vor drei Monaten angefangen hat. Der hat mir erzählt, dass das eine tolle Geschichte ist, eine etwas andere Agentur, für eine große Marke. Das fand ich ziemlich spannend. Und ich fand auch Österreich ziemlich spannend und einmal in eine andere Stadt zu wechseln. Ich hatte das schon länger im Kopf. Und dann habe ich mir gedacht, bevor ich auf der Couch herumsitze, mache ich irgendeine Aktion.
derStandard.at: Sie haben ihren Fußmarsch intensiv auf Blog, Facebook und Twitter begleitet. Wie viele Leute haben das verfolgt und welche Rückmeldungen gab es?
Thorsten: Bis zu über 200 Besucher haben täglich meinen Blog verfolgt. Facebook war für mich auch mehr oder weniger neu, eine eigene Gruppe hatte ich bis jetzt noch nie gegründet, ich hatte so um die 250 Fans. Mich da so zu präsentieren, das war für mich ungewohnt. Getwittert hatte ich vorher auch noch nie. Auch da gab es aber ziemlich schnell eine Resonanz, 85 Menschen haben meine Meldungen mitverfolgt. Das war eben eine richtige Kampagne auf mehreren Kanälen, ich wollte einfach einmal schauen, was da passiert. Dazu gehörten auch die täglichen Umfragen, wo die Community bestimmen konnte, was am nächsten Tag passiert, dass ich mir die Haare rot färben oder in den Chiemsee hüpfen soll.
derStandard.at: Es war also ein Experiment in Web 2.0?
Thorsten: Genau: Was da passiert, wie die Leute reagieren und wie die Idee generell angenommen wird. Und wenn dann Leute aus der Branche und auch von außerhalb E-Mails schicken, die einem viel Erfolg wünschen, dann sind die Leute wirklich dabei. Auf der Straße ist zwar oft die Frage gekommen, ob das ein Fake ist und die Aktion in Wirklichkeit eine Idee von Red Bull ist ...
derStandard.at: Aber wir können festhalten, es war keine Idee von Red Bull?
Thorsten: Es war keine Idee von Red Bull, nein. Ich wusste ja auch nicht, wie die darauf reagieren würden. Eigentlich wäre es am besten gewesen, dass da die erste Postkarte kommt und die sich fragen, was das für ein Typ ist. Sie haben schon fünf, sechs Tage vor dem Start über Facebook von der Aktion erfahren, das hat aber nichts ausgemacht.
derStandard.at: Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen?
Thorsten: Das ist langsam gewachsen. Ich hatte mich von meiner alten Agentur getrennt und mein erster Gedanke war: Wenn ich jetzt auf der Straße stehe, muss ich auch auf die Straße gehen und mir Unterstützung von dort holen. Dann habe ich eben mit meinem alten Artpartner und Freund, Volker Heuer, über Red Bull geredet und daraus entstand immer mehr ein eigenes Konzept. Am Ende waren wir uns einig - wenn ich schon zu Red Bull gehe, dann gehe ich eben wirklich dort hin und so wurde quasi eine ganze Kampagnenidee daraus: Thorsten geht zu Red Bull. Und zwar zu Fuß. Es kam die Idee mit den Postkarten dazu und nach und nach die anderen Dinge: Stifte, Website, Twitter, Blog, Facebook, Gewinnspiel.
derStandard.at: Sie sind in München mit 1000 Postkarten im Gepäck gestartet - wie viele sind denn bis heute schon bei Red Bull eingetrudelt?
Thorsten: Ich habe sie nicht genau gezählt, es könnten mittlerweile 40 oder 50 sein. Fast 500 Karten und Kulis habe ich verteilt, ein paar wenige davon auch irgendwo nur in einen Postkasten geschmissen, weil ich mir gedacht habe, es wäre cool, wenn aus diesem kleinen Örtchen eine Postkarte kommt. Aber meistens habe ich auch mit den Leuten geredet und ihnen die Aktion erklärt. Eine Postkarte war auch aus Amerika dabei, die hat sich jemand aus dem Internet ausgedruckt. Es ging aber auch weniger um die Postkarten, es ging um die Resonanz bei den Leuten.
derStandard.at: Was ist aus der Sicht eines Werbers gut an der Marke Red Bull?
Thorsten: Es ist eine eigene Welt. Das ist ziemlich vielfältig, es geht nicht um Damenbinden oder um Waschmittel, sondern um eine lebendige Welt, die interessant ist und die stattfindet. Ich habe in der Werbung jetzt zwei Jahre lang Konzepte erstellt, und es wurde seltenst etwas umgesetzt, weil es am Kunden scheitert oder an eine andere Agentur geht. Oder man setzt sich durch, dann wird es aber so gemacht, wie der Kunde das will. Bei Red Bull hoffe ich, dass Vieles umgesetzt wird. Es geht bei Red Bull ja nicht nur um das Getränk - das macht auch die klassische Agentur -, bei Red Bull Creative geht es um die ganzen anderen Geschichten.
derStandard.at: Welche Onlinekampagne würden Sie denn selber gerne einmal für Red Bull machen?
Thorsten: Das war ja jetzt schon fast eine Onlinekampagne. Aber eben für mich. Man kann mitmachen, man kann zuschauen, die Leute auf der Straße bekommen einen Stift mit der Internetadresse und können selber reinschauen. Es hat sich ja auch vieles online abgespielt. Deswegen war das für mich - nachdem ich selber nicht viel online gemacht hatte, ich war zwei Jahre in der klassischen Werbung - eine spannende Geschichte. Grundsätzlich geht es mir auch bei Red Bull nicht darum, eine reine Onlinekampagne zu entwickeln, sondern eine Idee zu entwickeln, die ganzheitlich umgesetzt werden kann - über mehre Kanäle, eben 360 Grad. Anders wird gute Werbung in Zukunft nicht mehr zu machen sein.
derStandard.at: Welche Online-Werbekampagnen finden Sie gut?
Thorsten: Wie gesagt, ich finde Kampagnen gut, die nicht nur online stattfinden, sondern integriert in vielen verschiedenen Kanälen funktionieren. Die Horst-Schlämmer-Kampagne von DDB für den Golf letztes Jahr war zum Beispiel so eine, die zu Recht auch so einen großen Erfolg hatte, und zwar nicht nur in der Werbebranche, sondern auch bei der Zielgruppe. Außerdem hat sie extrem viel Spaß gemacht und spielte sich zudem hauptsächlich im Internet ab oder ging dort weiter.
derStandard.at: Was verändert sich im Werbebereich durch Plattformen wie Facebook und Twitter?
Thorsten: Erst einmal geht viel Zeit verloren, weil man immer schaut, was es da Neues gibt. Wo früher Leute einfach ferngesehen haben und plötzlich waren vier Stunden vorbei, geht das heute über Facebook. Und Neuigkeiten verbreiten sich viel schneller - jemand stellt ein Foto rein, schickt den Link an hundert Leute, die finden es gut und schicken es weiter.
derStandard.at: Neue Chancen für neue Werbeformen?
Hainke: Sicherlich. Am Anfang haben manche Leute ja gesagt, mit dem Internet ist die bisherige Werbung tot. Aber sie wird eben nur neu positioniert und man muss sich dann eben auf die neuen Formen einstellen und etwas umdenken. Diese schnelle Weiterverbreitung ist sicher eine Chance. Und es ist alles viel persönlicher als in der klassischen Werbung. Wenn dir ein Kumpel sagt, ich habe gestern ein neues Getränk probiert und das musst du unbedingt versuchen, das schmeckt wahnsinnig toll - dann kaufst du es dir auch. Wenn der das sagt, dann glaubst du ihm das auch und erzählst es weiter. Das ist die beste Werbung.
(derStandard.at, 2.11.2009)
So ein Interview ist ganz schön praktisch, weil man dann selbst nix mehr schreiben braucht. Das erledigen jetzt außerdem viele andere, lustige Menschen. Den kompletten Artikel mit ein paar unterhaltsamen Kommentaren gibt's hier:
http://derstandard.at/fs/1256743788319/Ich-hatte-das-schon-laenger-im-Kopf